Samstag, 11. Oktober 2008

Von München nach Venedig in 28 Tagen: 4. Etappe von der Stiealm nach Vorderriß

Start: Stiealm
Ziel: Vorderriß
Entfernung: 19 km
Aufstieg: 1135m[1]
Abstieg: 1500 m
Gehzeit: 7h

Google Earth Ansicht
Probleme die unten stehende Google Map-Karte zu sehen ? Dann habt ihr wahrscheinlich auch schon Windows Vista auf Eurem Computer !?

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Nachdem es die ganze Nacht geregnet hatte regnete es auch am Morgen und wir lernten zum erstenmal wie es ist in den frühen Morgenstunden eine warme und schützende Hütte verlassen zu müssen und aufzubrechen im Regen. Wie Ludwig uns klar machte lohnt es nicht zu warten, da man nie wissen kann, wie lange der Regen andauern wird. Wer in 26 Tagen zu Fuß nach Venedig will muß sich an einen Zeitplan halten und kann auf das Wetter dabei keine Rücksicht nehmen ( oder auf sich selbst, denn dem Wetter ist es natürlich egal, wer sich da nun ins Freíe wagt und wer nicht ). Wir waren entsprechend ausgerüstet mit Regenjacken und Regenhosen, die meisten noch mit Rucksack-Überzug und Schirmen. Ich hatte keinen Schirm dabei und auch keinen Rucksack-Überzug, dafür war meine Wäsche und die wichtigen Dinge in meinem Rucksack in einen wasserdichten Sack verpackt.

On the way to Jachenau
Auf dem Weg nach Jachenau

Am Morgen ließ der Regen langsam nach und wir wanderten über schlammige Pfade an zahlreichen Almen vorbei und stiegen ab zu den Jachenauer Wasserfällen.

Diese “Pfade” forderten ihre Opfer. Teilweise ging es steil bergab und der Weg war oft sehr schlammig und rutschig. Im nachhinein bin ich fast der Meinung dieser Abstieg war der schlimmste während der gesamten Tour nach Venedig, obwohl wir nicht im Hochgebirge waren. Resi rutschte an einer Stelle aus und im Schlamm ein Stück den Hang hinunter. Unser Bergführer war schon weit voraus, aber glücklicherweise waren Jos und andere zur Stelle, ihr zu helfen.

An einem besonders steilen Stück weiter unten wandte Ludwig sich um und sah uns beim bergab gehen zu, bevor er sagte: “Und als Jesus seine Jünger vom Berg steigen sah drehte er sich um und weinte bitterlich.” Nach diesem “Feedback” erhielten wir dann Tips, wie man richtig von einem steilen Berg steigt.

Interessanterweise verhalten sich viele instinktiv falsch, indem sie an besonders steilen Hängen die Füße verdreht zur Laufrichtung und somit parallel zum Hang aufsetzen. Die vermeintliche Sicherheit trügt: wer jetzt ins Rutschen kommt hat kaum eine Chance sich abzufangen und riskierte schlimme Brüche und Verletzungen. Richtig bewältigt man einen steilen Abstieg, indem man die Füße immer in Laufrichtung aufsetzt und dabei etwas Gewicht nach vorne über den Fuß bringt, um die Bodenhaftung zu verbessern. Die Schuhsohlen sind so beschaffen, daß sie in Laufrichtung am besten haften. Wer nun noch etwas im Knie geht und seine Kniemuskulatur einsetzt hat nicht nur einen sicheren Stand, sondern kann auch bei extremer Steillage mal einen Rutscher gut ausgleichen. Natürlich ist diese Gehweise anstrengender, insbesondere will man sie über mehrere Stunden durchhalten.

Jachenauer Falls
"Jachenauer Wasserfälle"

An den Jachenauer Wasserfällen “… mußten wir unfreiwillig eine einstündige Pause einlegen und auf die Bergwacht warten, denn Petra, die Frau von Ronald, hatte nach einem Sturz einen Kreislaufzusammenbruch und mußte ins Krankenhaus.”

Es passierte zusätzlich, was einem in den Bergen leicht passieren kann, trotz modernster Technolgie: kein Handy-Empfang ! Ludwig mußte also zuerst gen Tal eilen, bevor sein Handy wieder funktionierte und er Hilfe herbeirufen konnte. Diese traf dann schnell ein: zuerst ein Arzt, dann noch weitere Helfer mit einer Trage. Glücklicherweise war eine Forststrasse nicht weit entfernt, wo Petra dann in ein Fahrzeug verladen werden konnte. Sie wurde dann nach Bad Tölz ins Krankenhaus gebracht und wie wir bald erfahren sollten war ihr Zustand nicht kritisch und sie würde nach drei Tagen wieder zu uns stoßen.

Während wir auf die Bergrettung warteten erwies sich eine Thermo-Decke als nützlicher Ausrüstungsgegenstand, um einen Verletzten warm zu halten und auch gegen einen eventuellen Schock anzukämpfen. Nachtrag also zur Frage, was noch so alles in den Rucksack gehört: eine kleine Erste-Hilfe-Ausrüstung sollte man dabei haben, auch wenn man mit einem Bergführer wandert, der sowas stets im Rucksack bei sich führt. Es kann immer mal geschehen, daß man vom Bergführer getrennt wird und auf eigene Hilfsmittel angewiesen ist. Also: Pflaster, etwas Verbandszeug, Desinfektionsmittel und eventuell Schmerztabletten sind sinnvoll. Und eine Thermodecke; die muß aber nicht jeder bei sich haben, da empfiehlt es sich bei dem ein oder anderen Ausrüstungsgegenstand auch sich in der Gruppe abzusprechen wer was mitnimmt.

Auf der Luipolder Alm
"Auf der Luipolder Alm"

Mit einer Stunde Verspätung trafen wir in Jachenau ein, wo wir Mittagspause machten in einem Gasthof mit einer sehr lustigen Bedienung … und uns von Rolf verabschiedeten, also einen weiteren Verlust hinnehmen mußten: seine Füße waren wund und mittlerweile litt er unter Fieber. In Anbetracht dieser schweren Umstände war es für ihn angeraten einen Arzt aufzusuchen und so ließ er sich ein Taxi nach Jachenau kommen. Wir würden ihn erst einige Tage später wiedersehen.

Als wir den Ort verließen rief uns ein altes Mütterchen von ihrer Gartenbank aus zu: “Geht Ihr nach Venedig ?”. Als wir das bejahten, rief sie: “Wie gerne würde ich mitgehen !”.

Dann ging es noch 3 Stunden weiter zur Luipolder Alm, wo es in der einfachen Stube Getränke gab, bevor wir den Rißsattel überquerten und nach Vorderriß abstiegen über den Weg der 100 Serpentinen. Mit einem Anhänger wurden wir zum ‘Gasthof zur Post’ in Hinterriß befördert, wo wir etwa 30 Minuten Zeit zum Duschen hatten, bevor der Hirschgulasch serviert wurde.

Gesamt-Gehzeit heute nach Messung von Jos: 7:58. Ein langer Tag: von 07:30 Uhr bis 19:45 Uhr waren wir unterwegs gewesen. Willkommen in Österreich !

Highlight des Abends: der hausgemachte Vanille-Schokoladen-Pudding !”

Unsere Unterkunft:
Der “Gasthof zur Post” in Hinterriß bot uns wieder Zimmer mit Dusche und richtigen Betten, zudem einen komfortablen Trockenraum im Keller und eine gemütliche Gaststube. Das Abendessen war gut, besonders hervorzuheben der hausgemachte Pudding als Nachtisch. Zweitbestes Dessert auf der Tour nach Venedig !

[1] Das Wander-Programm des DAV weist für diese Tour nur einen Aufstieg von 540 m aus und ich bin im Zweifel, ob die gemessene Zahl von über 1.000 Höhenmetern stimmen kann. Von der Stiealm aus ging es überwiegend bergab. Von Jachenau aus mußten wir dann aufsteigen auf den Rißsattel (1223 m), aber aus der Erinnerung heraus fällt es mir schwer zu glauben daß dabie mehr als 1.000 Höhenmeter zusammen gekommen sind ( Jachenau liegt auf knapp 800 m ).

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